Der Hellseher und die Liebe

Die Liebe und der Hellseher

Dein Gesicht wirkt fahl, ganz grau und zeigt sich so sehr blass. Der Glanz deiner Augen, er scheint auf ewig verloren. Das verzweifelte Flehen in deinem Blick, es gleicht einem nicht enden wollenden Schrei der Verzweiflung. Du bist alleine, ich bin es ebenso, beide jeweils dort, wo wir sind. So soll es nicht sein. Es darf so nicht sein. Die Sehnsucht nach dir, sie lässt mir keinen klaren Gedanken.

Sie ist bohrend und frisst sich gierig in mein Herz. Ich vermisse dich so sehr. Wir gehören zusammen. Ich liebe dich.

Deutlich spüre ich sie, die schiere Verzweiflung in dir. Sie verbindet uns und lässt unsere Liebe zu einer entsetzlichen Hölle entarten. Wie durch ein kleines Fenster sehe ich dich. Ich beobachte deinen Körper, wie er sich einsam und freudlos durch dein Leben bewegt. Du bist alleine. Dein Verlangen, es ist da, gebändigt durch die gnadenlose Einsamkeit einer anderen Welt. Sofort erkenne und hasse ich das. So weit entfernt bist du und doch auch wieder so sehr nahe. Ganz nahe bei mir bist du. Einen lieben Nachbar meines Herzens, das sehe ich in dir. Wie gerne würde ich dich berühren, dir sanft durch dein Haar streicheln. Doch du, an einem weit entfernten Ort bist du. So sehr weit von mir entfernt ist dein Sein, dass ich dich nur in meinen Träumen erreiche. Warum haben sie uns beide nur zusammengeführt? Sie sind unsere Freunde, so sagen sie. Sicher sind sie das. Doch haben sie unsere Herzen miteinander bekannt gemacht…

Ich kann sehen. Einer angeborenen Gabe folge ich. Bilder aus einer anderen Welt, einer anderen Zeit, sie sind mir möglich. Ich bin ein Hellseher. So warst du plötzlich in einer Vision. Von einer fremden Kreatur, einem ungemein machtvollen Wesen, wurdest du mir gezeigt. Sie sind so oft bei mir diese Wesen, wenn ich sehe und im Geiste auf fernen Reisen bin. Meine Visionen, sie scheinen wohl ihre Heimat zu sein. Du und ich, wir verbrachten nur eine kurze Zeit miteinander.

Es war nur eines dieser Wesen und du, meine wunderbare Frau, als auch ich. Wir alle an einem Ort vereint in der Nacht. Du warst so wunderbar, wie du nur sein kannst. Unsere Begegnung, sie war voller verwirrender Gefühle. Doch dann geschah, was wohl geschehen musste. Wir wurden wir durch das brutale Erwachen getrennt. Der Verlust war eine Qual. Ich habe vor Schmerzen geschrien. Immer wieder und wieder wollte ich nur zu dir zurück, immer wieder nur hinein in die Vision. Es war ein quälender Wunsch, dessen Erfüllung mir verwehrt blieb – erbarmungslos und schrecklich.

So bin ich jetzt hier in meiner Welt und in meiner Zeit. Du, mein geliebter Schatz, du bist so fern an einem unwirklichen Ort und in einer mir fremden Zeit. Doch bist du da. Ich spüre dich, kann dich immer wieder sehen. Wie durch ein Fenster in Raum und Zeit, direkt in deine Welt und in dein Leben hinein, so kann ich dir im Geist folgen. In dein trauriges Gesicht kann ich blicken und tatenlos beobachten, was du gerade erlebst. Ich kann sehen, wie du weinst und wie die Sehnsucht dich unaufhaltsam zerfrisst. Blass und müde bist du, mein unbekannter Schatz. Der Kummer verzehrt deine Schönheit jeden Tag ein wenig mehr. Doch ich kann nichts verändern, dir nichts mitteilen. Mir bleibt nur, stets auf dich herabzusehen und still darauf zu hoffen, dass du mich irgendwann erfühlst. So ungemein schrecklich ist es und eine Qual.

Es scheint ohne das Recht auf Hoffnung zu sein. Immer wieder stelle ich mir die Frage, warum diese Wesen uns beide zusammengeführt haben, nur um uns dann wieder zu trennen? Warum quälen sie uns, spielen uns beiden so sehr grausam mit? Gibt es an allem etwas zu lernen, zu begreifen, oder ist es nur die Bekanntmachung einer einsamen Liebe? Ich weiss es nicht. Die Frage droht mich zu verzehren. Die Sehnsucht in mir, sie zieht mich in mich selbst zurück und lässt mich verzweifeln. Vielleicht habe ich falsch gesehen und habe als Seher versagt?

Womöglich ein schändliches Versagen war es, das nun seinen Preis verlangt? Aber vielleicht mag es auch nur die einfache Begegnung einer einzigen Liebe, von zahllosen weiteren Liebschaften auf vielen Welten sein, die sich alle irgendwann einmal, zu einer einzigen Liebe vereinen sollen? Doch ich bin nur ein einfacher Mann. Mehr eigentlich bin ich nur ein kleines Licht im Universum, wenn der Geist der Welt gefordert wird. So spüre ich nur die Liebe und die Sehnsucht jeden Tag und in jeder Nacht. Ich weine im Schlaf meine Hilflosigkeit leise in ein Nichts. Wenn ich dein müdes und trauriges Gesicht vor mir sehe, mein geliebter Schatz, so bricht es mir das Herz. Die Hilflosigkeit, sie wird zu einer schrecklichen Qual.

Autor: © Alexander Rossa 2024

Links zum Thema
Wikipedia: Parallelwelt
spiegel.de: Leben im Multiversum

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