Aus einem Kapitel des Lebens: Wundenheiler Zitate von Menschen auf dem Prüfstand…
Die Zeit, sie würde alle Wunden heilen. Das ist eine beliebte Hypothese. Ich habe sie für mich und mein Leben widerlegt. Man lernt zwar mit der Zeit seinen tiefen Schmerz und die Verwundung zu tarnen, mit ihnen umgehen zu können. Doch es heilen niemals alle diese Wunden. Einige der tiefen Verletzungen, sie heilen nie. Du kämpfst dein ganzen Leben gegen dieses Leiden an.
Die Verwundungen lassen dich deine Lebenskraft verlieren. Tropfen für Tropfen sickern sie, wie ein ständiges Rinnsal. Ihr dumpfer Schmerz, er läßt dich ständig innerlich brüllen, schreien und nahezu wahnsinnig werden. Tonlose Schreie verzerren deine Aufmerksamkeit auf alles Positive in deinem Leben. Du versuchst immer wieder, viele der Wunden zu kapseln und sie abzugrenzen, um nicht an ihnen vorzeitig verenden zu müssen.
Das scheinbar normale Alltagsleben, es ist nur ein Schauspiel, fast eine Posse, die ständig Konzentration und irrsinnig viel Energie kostet. Ja, es ist leider auch die Kraft, die dich am Leben hält. Sie ist der Wille für dich und die Menschen deines Herzens, weiterleben zu können. Diese Wunden sind ein Fluch und ein Mahnmal zugleich, das eine Schlacht gegen das Schicksal verloren wurde. Ziehen die Jahre in das Land und wird man älter, dann schwindet die Lebenskraft. Das Schauspiel verliert für seine Zuschauer an Attraktivität. Die Konfrontation mit der Realität, sie ist ein verstörendes Bühnenstück, das die Menschen nur allzu gerne meiden.
Es offenbart sich schliesslich mit der Zeit nur ein kraftloser Mensch. Das Drama, es ist die Zeit. Sie lässt eben nicht alle jene Wunden heilen. Nein, sie führt tatsächlich nur die Regie bei dieser grotesken Tragödie. Sie erhöht mit jeder Sekunde mehr, nur all das intensive Leid. Es ist wohl der zu zahlenden Preis an das Schicksal. Die Zeit jedoch damit als die Heilende zu preisen, das gleicht nur dem Versuch, den Wind als eine Art Feuerlöscher zu begreifen, nur weil er in der Lage ist, ein brennendes Streichholz auszupusten.
(c) Alexander Rossa 2024