Die Störung

Die Störung

Es ist fast dunkel. Der Schein einer Kerze, er lässt Schatten an den Wänden tanzen. Sie sind da, welch ein Glück. Ich sitze auf dem Sofa und genieße es. Die Luft ist erfüllt mit ihnen und scheint regelrecht gesättigt zu sein und überzuquellen. Wie ein dicker, durchscheinender Vorhang vor meinen Augen, so erscheint sie mir. Das Leben, es ist allgegenwärtig. Ich spüre es deutlich. Es wird ein guter Abend werden. So lasse ich nun alles bereitwillig auf mich einwirken und mich ganz tief berühren.

Gefühle galoppieren in mir und drohen, sich aufzubäumen. Unsicherheit und Glück paaren sich zu einer neuen Einheit. Ich schliesse die Augen und ergebe mich. Es ist unglaublich still im Raum, und doch tobt das Leben in ihm. Nur das leise Zischen des brennenden Kerzendochtes ist zu hören. Ein wortloser Singsang, ein tonloses Gemurmel und drucklose Berührungen am ganzen Körper spüre ich, höre ich und fühle ich. Wundervoll und dennoch nicht begreifbar.

Langsam öffne ich meine Augen und sehe einen schwachen Schimmer im Raum. Ich konzentriere mich auf ein ganz bestimmtes Gefühl in mir. Eines der vielen Gefühle, die nicht von mir selbst kommen. Frei im Raum scheinen sie zu schweben. Der Schimmer verändert sich. Er bewegt sich kaum merklich. So umgarne ich dieses fremde Gefühl und liebkose es innig. Neue Emotionen schießen hinzu und umlagern das neue Liebespaar des Abends.

Der Raum wird heller, ganz langsam und beständig. Ich fange einen seltsamen Geruch auf. Meine Nase wird getäuscht. Eine leichte Kühle nähert sich mir und schmiegt sich an. Furcht steigt in mir auf und bohrt sich forsch dazwischen. Ich beruhige mich, drücke die Beklemmung aus meinen Lungen, um mein Herz zu befreien. So umspielt mich die täuschende Kälte, durchdringt mich schauerhaft. Dann ist sie wieder hinter mir. Plötzlich jedoch, ist sie ganz um mich herum. Der Schimmer im Raum, er lässt die Schatten der Kerze bizarr und unnatürlich erscheinen.

Doch jetzt schiesst das gefühlte Eis brutal und kraftvoll in mich hinein. Es reißt mich aus der Ruhe und hält mein Herz gefangen, als wäre es ein zappelnder und nach Luft ringender Fisch. Furcht bäumt sich in mir auf. Sie springt kläffend an meinen Rippen hoch. Ich schnappe nach Luft, suche nach Halt. Etwas Fremdes ist da. Es zerreisst die innige Harmonie der Gefühle. Die Luft scheint zu kochen. Mein Herz schlägt bis zum Hals hinauf. Mit aller Kraft versuche ich, die Kälte aus mir zu verdrängen. Unerwartet machtvoll und beharrlich krallt sie sich in mein Fleisch.

Die Kerze jedoch, sie beginnt zu flackern. Das Licht wird zu einem üblen Gleissen. Dieses fremde Gefühl in mir, es will nicht gehen, nicht vor mir fliehen. Ein stiller Kampf ist entfesselt. Ein leises Kreischen in der Luft meine ich zu hören. Irritationen und fliegende Bilder wechseln vor meinen inneren Augen. Die Tür knallt lautstark zu. Bücher fallen aus den Regalen. Dann schließe ich mich. Ich schütze mich, blocke aus meiner Umwelt alles ab. Nun erhebe ich mich und reiße eilig das Fenster auf. Laut schreie ich in die Nacht hinaus.

Ein paar Vögel flattern aufgeregt und steigen von den Bäumen auf. Die Kälte ist augenblicklich verschwunden. Es ist fort…

Langsam sinke ich auf meine Knie. Ich weine, bin völlig kraftlos und ausgelaugt. Meine Hände zittern. Es war sehr knapp dieses Mal. Fast hätte ich dieses Wesen nicht wieder aus mir heraus bekommen. So wäre ich wohl dazu verdammt gewesen für einige Tage, ein willenloser Diener dieser Kreatur zu sein. Sie hätte versucht, mein Leben zu bestimmen, es zu übernehmen und heimisch in mir zu werden. Ein lästiger Parasit ist das. Ein schrecklicher Gedanke. Nach einer Weile stehe ich auf und schließe das Fenster. Es wird wohl eine kalte Nacht werden.

© Alexander Rossa 2024

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