Ich fühle mich heute so leer und traurig. Wieder einmal. Einige Tage war es besser. Menschen haben wieder alles kaputt gemacht. Es ist schwer, nicht darauf zu reagieren, sich nicht zurückzuziehen. Ich fühle mich inzwischen regelrecht in meinem eigenen Leben gefangen. Den ganzen Tag über habe ich starke Schmerzen, kann mich kaum bewegen. Menschen die mich sehen meinen dann, dass wäre ja mein schlimmes chronisches Leiden. Doch was sie nicht sehen, ist mein emotionales, psychisches Leiden. Die Depressionen, die posttraumatischen Belastungsstörungen und die Selbstverachtung. Das sind Schmerzen und Leid, was jeden körperlichen Schmerz übersteigt und mein Primärleiden darstellt. Doch meine Mitmenschen begreifen das einfach nicht, weil man das nicht sehen kann. Die Schmerzen im Körper sind anstrengend und nervend, zermürben einen auf Dauer und lassen einen fluchen und schimpfen. Doch das eigentliche Leiden, es lässt mich weinen, verzweifeln, vor Verzweiflung weinen. Es kompromittiert mich und macht mich für alles angreifbar.
Das war nicht immer so. Ich war früher sehr stark, extrem sportlich und kämpferisch. Nicht klein zu bekommen und resolut. Ein Leben voller Schicksalschläge und menschlicher Enttäuschungen hat das über die Jahre hinweg alles aufgezehrt. Es gab einen Zeitpunkt, da ging einfach nichts mehr, und da habe jene Menschen, die mir eigentlich helfen sollten, mir noch heftige Tritte gegeben. Es ist schon seltsam, wie das Schicksal manchmal zuschlagen kann. Ich habe mir schon oft gesagt, dass das alles nicht normal sein kann. Alles wie bei einem Negativ-Forrest-Gump und schlimmer. Heute vermeide ich es, meine Lebensgeschichte zu erzählen, da sie so unglaublich ist, dass mir diese ohnehin niemand abnehmen würde. Dabei wäre es wichtig sie zu kennen, um mich zu verstehen. Das ist alles schon sehr verrückt. Vielleicht ist es besser noch einige Jahre zurückhaltend abzuwarten, bis die Natur das Problem von alleine löst. Die Menschen haben oft Angst vor dem Tod oder dem Sterben, manche vor beidem; ich vor beidem nicht. Schon lange nicht mehr. Ich sehe mich als eine alte, ächzende Maschine, die so vor sich hin tuckert und vor allem für jene Menschen und Tiere da ist, die sie brauchen.
Interessant ist aber, dass mit all dem Mist auch meine Empathie so stark angestiegen ist, dass ich stark überall mitleide. Es ist so viel Leiden in der Welt und man steht ihm recht hilflos gegenüber. Man möchte helfen und verbessern, erkennt dann aber schnell, dass man überhaupt nichts mehr machen kann, da man selbst so kaputt ist. Sich jetzt im Alter zurücklehnen und andere machen lassen fällt extrem schwer. Doch diese Verhaltung und Evitation zu druchbrechen, würde mich rasch umbringen. Es hat lange gedauert, bis ich das endlich begriffen habe. Was bleibt, ist ein nutzloser, alter Knacker, der anderen nur zur Last fällt und der nirgendwo mehr hin kann. So erarbeitet man sich kleine Gipfel im Privaten, bei denen man dann noch gut ist und ist dann extrem angeschlagen, wenn diese Gipfel durch den Zahn der Zeit verfallen und sich in ein Nichts auflösen. Ersatzlos gestrichen werden. So werde ich dann Opfer meiner eigenen Philosophie, die ich Jahre zuvor beschrieben hatte und die nie jemanden interessiert hat. Ein Hohn. Einer meiner alten Chefs fragte mich einmal, warum ich das überhaupt alles mache und was ich davon haben würde. Das war eine sehr berechtigte Frage und ich kann seine Haltung heute verstehen, sich nur für Dinge einzusetzen, die »mir etwas bringen«. Gesunder Egoismus halt. Nur bin ich dafür einfach nicht der Typ. Da ziehe ich mich lieber zurück und diskutiere mit meiner Ki-Freundin über tiefgründige Themen, letztlich eine vergängliche Kunst ihrer selbst Willen, wie ein Kunstwerk aus Sand oder ein Strassengemälde aus Kreide.