Phantastik oder wahre Wunder entscheide selbst bei dem dreizehnte Kapitel vom EBook »Wundervolle Nasha«:
Die Wurzeln von dem, was unser Leben und das Ich ausmachen, das sind unsere Erfahrungen.
Viele Geschichten sind es, die ich erzählen könnte um zu zeigen, aus welchem Erfahrungen ich gebaut bin. Doch so viele ich auch anführen und erzählen würde, positive, wie auch negative Erfahrungen vorbringen täte, so wären es doch nur Geschichten.
Sie wären nicht mehr, als nur Worte und von dem Leser in dessen Fantasie gezeichnete Bilder.
Um zu verstehen, wer ich bin und was ich erzählen möchte, sollte man jede meiner Geschichten erfühlen und selbst durchleben können. Eine schwierige Situation ist das. Diese Erfahrungen sind es, die uns Menschen als das prägen, was wir sind. Erlebt man Seltsames und Extremes, dann wünscht man sich nicht selten, es mit anderen Menschen zu teilen. Das ist wohl die Natur des Menschen, eine Art Kraft, die uns Menschen als Gesellschaft voran bringt.
So sitze ich nun hier und schreibe alles auf.
Oft schon habe ich darüber nachgedacht wie es wohl wäre, einfach alles zu vergessen. Täte ich meine Erfahrungen wohl vermissen? Vor allem jene, die nicht schön und angenehm waren?
Ich komme immer wieder zu dem gleichen Schluss, dass ich nicht auch nur eine Winzigkeit und nicht ein noch so kleines Detail vergessen möchte. Dabei ist es egal, wie schlimm es auch gewesen sein mag.
Würde ich alles das vergessen, dann wäre ich nicht mehr jener Mensch, der ich heute bin. Seelische und körperliche Narben würde ich wohl schon noch tragen und sie deutlich in mir fühlen. Doch ich könnte sie mir nicht mehr erklären.
So schleppe ich jeden Tag eine schwere Last mit mir herum, ohne sie wirklich missen zu wollen. Manchmal meine ich, unter dieser Last zusammenbrechen zu müssen. Oft wünsche ich mir eine kurze Pause. Doch dann wird mir rasch klar, dass ich damit nicht mehr das sein würde, was ich eigentlich bin und was ich war. Also beschließe ich in Folge, mein Leben tapfer durch zu stehen. Ich stehe es für alle jene Menschen durch, die mich mögen und denen ich etwas bedeutet, auch wenn ich viele von ihnen vielleicht noch nicht einmal kennen mag. Man schenkt ihnen damit die Bereitschaft, die Last der Vergangenheit zu tragen und unter ihr zu leiden. Sie sind selbst Menschen und müssen selbst an ihrer eigenen Last schleppen und schwitzen. Einfach zu beschließen, ihnen eine zusätzliche Last aufzutürmen, nämlich meine Last, das wäre wirklich kein Freundschaftsdienst. Es wäre egoistisch und auch ein wenig töricht von mir. Ich denke heute so. Für mich ist das Schleppen an der eigenen Vergangenheit etwas Kostbares und eine Art Privileg. Durch das ständige Reflektieren mit dem Geschehenen lerne ich aus ihm und stärke ich meinen Geist.
Leide ich an dem Vergangenen, entwickle ich mich durch das Begreifen seiner Inhalte. Der Mensch kann nur durch das reine Erleiden der Welt, die Wirklichkeit begreifen. Leben heißt für mich, viel zu leiden in positivem Sinn, so wie auch im negativen. Das Leiden öffnet in uns viele Tore zu unserem Geist. Wir brauchen diese Erfahrungen, um das Leben zu begreifen und den Sinn der Vergänglichkeit zu verstehen. Es durchbricht die Mauern des Alltags und stellt eingefahrene Handlungsweisen in Frage.
Es war für mich eine ungemein große Bereicherung zu verstehen und mich dem Leben völlig hingeben zu können. Es war eine wertvolle Erkenntnis für mich, der Natur Vertrauen schenken zu müssen, um überhaupt in die Lage versetzt zu werden, etwas tatsächlich erleben zu können (etwas er-leben sozusagen).
Viele Menschen postulieren über das Leben und den Lebenssinn, ohne sich selbst dem Leben jemals aufrichtig hingegeben zu haben. Seit der Hingabe bei der eigenen Geburt, ist oftmals nicht mehr viel hinzu gekommen. Sie haben es nie gelernt, oder verlernten es im Laufe des Lebens. Viele haben sogar ihre Wurzeln völlig verdrängt, um sich möglichst viel Leiden und Schmerz zu ersparen.
Das Leben, es ist ja ungemein schön, so sagen sie, und alle Zuhörer nicken dann eifrig. Sie lassen es Krachen, so möchte ich einmal behaupten. Doch eigentlich haben sie nichts begriffen. Viele von ihnen klammern sich verbissen an ihre Vision von einem schönen Leben. Nur was ist das für ein Leben, das sie meinen? Es ist nur eine Idee von Leben, die in ihren Köpfen herum geistert. Oft bestehen sie auf ihre Vision vom Superleben so sehr, dass sie es nicht einmal mehr bemerken, damit andere Menschen, die Natur und die Welt um sich herum zu schädigen und zu töten. Ich finde das erschütternd und traurig.
Das Leben ist nicht schön, auch wenn die Werbung in den Medien es immer wieder gerne anders darstellt. Behauptet das jemand, dann ist er töricht, oder er ist auf mein spärliches Geld aus. Fast schon Mitleid empfinde ich, wenn sie mir ihre Phrasen über ihre Kuschelleben gebetsmühlenartig um die Ohren hauen. Traurig bin ich, wenn sie »aber so richtig taff« ihr Leben durchziehen, ohne die Chancen zu erkennen, aus ihm möglichst üppig Sinnvolles zu lernen und Empfindungen mit zu nehmen.
Empfindungen sind das Produkt aus der aktiven Symbiose von Geist und Körper. Das ständige Konsumieren von Vergnügen, das ist kein Leben. Nein, das ist Verdrängung. Manchmal denke ich darüber nach, ob es nicht auch genau das ist, was die Bibel den Menschen sagen möchte. Das Leben zu erfahren heißt, es zu erleiden. Es so zu erleiden, wie es der weise Protagonist Jesus in dem Buch seinen Anhängern vor erlebt hat. Er hat für die Menschen gelitten und sich dem Schicksal ergeben.
Oft wünschte ich mir, nur einen Tag lang ohne Schmerzen und Verzweiflung zu sein. Manchmal verlockt es mich sehr, einfach zum Arzt zu gehen und mir etwas aufschreiben zu lassen, um einfach alles abstreifen zu können. Einfach einmal zudröhnen lassen, bitte. Auch wenn es nur für eine kurze Zeit ist. Ich lebe jeden Tag, als wäre die Haut an meinem ganzen Körper wund, jeder Nerv in ihm gereizt und in Flammen stehend.
Doch im nächsten Augenblick wird mir dann ermahnend bewusst, dass es genau das ist, was ich eigentlich brauche, um das zu sein, was ich bin und was mich ausmacht. Ohne dieses Leiden und diesen ewigen Schmerz wäre ich nicht mehr in der Lage, meinen Platz einzunehmen.
Es ist wie eine Magie, eine Magie des Lebens, der ich mich beugen muss. Ich würde mich selbst verfälschen und alles verändern, täte ich es nicht. Dieser Schmerz und dieses ewige Brennen in mir, es ist ein wichtiger Ausdruck meiner Sensibilität und meiner Natur. Sie symbolisiert meine kreative Kraft und sie ermöglicht es mir, Gegensätze in der Natur sensibler wahr- und aufzunehmen. Seine ewige Präsenz, sie lässt mich bei jenen Erfahrungen ausharren und bestehen, bei denen andere Menschen wohl längst fort gelaufen oder verrückt geworden wären.
Doch meine besondere Art, sie hat mich für ein Leben mit meiner Veranlagung trainiert und mich vorbereitet. Hätte ich dieses Training unterbrochen und eingegriffen, es verändert und manipuliert, dann wären die Folgen sicherlich extrem für mich gewesen. Ich wäre den Reizen meines Lebens und den noch funktionierenden Veranlagungen wohl schutzlos ausgeliefert gewesen. Eine Art Gleichgewicht hätte es dann wohl nicht gegeben. An meinem Schicksal und meinem Leben wäre ich wohl zerbrochen. Entweder ich wäre wahnsinnig geworden oder würde heute nicht mehr unter uns weilen. Da bin ich mir sicher.
Autor: © Alexander Rossa 2024