Erste Talbrise im Graumantel 1986…
Die Tage verstreichen.
Wochen und Monate vergehen.
Ganze Jahre rauschen an Menschen vorbei.
Doch nur die wenigsten von ihnen bemerken etwas ganz Entscheidendes:
Sie haben die Möglichkeit, etwas auf ihrer Welt zu verändern, etwas Grosses zu tun und etwas zu bewirken.
Aber dennoch verstreicht die Zeit weitgehenst ungenutzt.
Viele sind unzufrieden, sehen in ihrem Leben kaum mehr einen wirklichen Sinn, oder sie lenken sich ab, verdrängen und überspielen diese Einsicht. Sie geben sich einem Leben hin, das sich durch den ständig wiederkehrenden Alltag definiert. Wenn das so ist, dann ist es eben so, und wenn sie dabei zufrieden sind, dann soll es wohl auch so sein.
Aber die Menschen sind nicht zufrieden und viele die meinen es zu sein, machen sich doch selbst etwas vor. Wo ist die Phantasie aus den Kindertagen geblieben, die Kreativität und der Mut, etwas zu wagen?
Zu leicht ist es, alles auf das Alter zu schieben und das Feuer des Lebens zu vergessen, das in unseren Herzen vor sich hin glimmt. Nur ganz wenige setzen sich durch, um diese Glut zu einem gewaltigen Feuer zu entfachen, um von seiner Wärme und Energie getrieben, ganz neue Wege zu beschreiten und neues Land zu entdecken. Es ist doch so einfach, vor den Fernsehern und den Zeitungen zu sitzen und die Not und das Elend auf der Welt zu betrachten, da man es jederzeit mit einem Knopfdruck ausschalten oder die Zeitung weg legen kann. Ja, nicht nur einfach und scheinheilig ist es, sondern das Schlimmste an dieser Sache ist, dass fast alle genau wissen, dass es genau so ist.
So viele Menschen haben mir von ihrer Sehnsucht nach beschützenden Engeln und guten Geistern erzählt, von denen sie glauben, dass diese sich um sie sorgen, wenn es ihnen nicht gut geht oder enn sie in Not sind. So fest in unseren modernen Gehirnen ist diese Einstellung verankert, sich auf andere zu verlassen, darauf zu hoffen, dass da wohl immer jemand kommen wird, der uns hilft und uns in letzter Sekunde rettet, dass wir es kaum mehr bemerken.
Mein gesamtes Hexenleben sehe ich mich diesem selbstgefälligen und trägen Ungetüm gegenüber, einem Wesen, das offenbar blind und taub und ohne jegliche Sinnesorgane geboren wurde.
Die Menschen bei uns, sie sind in der Lage, Mitleid und Mitgefühl zu empfinden.
Ganz gewiss sind sie dazu in der Lage.
Doch ist diese Fähigkeit inzwischen so sehr verkommen, dass sie nicht mehr zwischen dem Gefühl eines ordinären, fest sitzenden Furzes in ihren überfüllten Därmen und einem echten Mitgefühl in ihrer Brust unterschieden können.
Sie haben offensichtlich vergessen, dass sie eigentlich dafür vorgesehen waren, für all jene Menschen helfende und schützende Hände zu sein, die inzwischen jegliche Hoffnung darauf verloren haben.
Wir sind nicht die Menschen Europas und des Westens. Nein, wir sind die Hoffnung jener Menschen, die an unsere Hilfe und unser Mitgefühl glauben. Das Wort Mensch war dafür vorgesehen, ein Synonym für Hoffnung zu sein und ist heute nur noch ein Synonym für gelebte Selbstgefälligkeit, Zerstörung und Gleichgültigkeit.
Ich darf das ruhig behaupten, da ich in den Augen meiner Nachbarn ohnehin das ultimative Böse bin, eine üble und paranoide Hexenfrau, die in einer alten Hütte im finsteren Wald lebt. Hexen sind wirre und gefährliche Wesen, da man sie nicht sogleich verstehen und ihre Taten nicht gleich begreifen kann. Doch Hexen sind wohl auch die letzte Quelle der Hoffnung in diesen kargen Gefilden der Moderne.
Ich bin die Hexenfrau Birke Rindensaft, und ich habe schon so viele seltsame Dinge bei den Menschen erlebt, dass ich eigentlich ebenso schlecht von den Menschen denken müsste, wie sie über mich und mein Handeln denken und spekulieren.
Da kommen einige junge Frauen und verlangen von mir, auf magische Art und Weise, Gefühle bei ihren Angebeteten zu wecken und das glühende Verlangen zu entfachen, weil sie selbst zu dumm, zu faul und zu einfältig sind, ihre Gefühle und sich selbst kennen zu lernen. Sie behandeln die Herrlichkeit und das Leiden der Liebe und auch alle anderen Gefühle wie Konsumgüter und setzen sich zudem über das Selbstbestimmungsrecht anderer Menschen einfach kaltschnäuzig hinweg.
Ursache und Wirkung dieser Basis allen Lebens ist keine Magie und kein Feenstaub, sondern wohl eher ein Teil des natürlichen Ausleseverfahrens. Dumme und törichte Weibsbilder (und davon gibt es mehr, als man im Allgemeinen vielleicht meinen mag) erzeugen immer wieder ebenso dumme und törichte Menschen, und sie verlangen von mir alten Frau tatsächlich, dass ich ihnen dabei helfe.
Vielen Menschen helfe ich wirklich, obwohl ich darum nur zu gut weiss, doch nur übel ausgenutzt zu werden.
So sollen sie ihren Schatz bekommen und ihr Leben auf eine durch und durch künstliche Konstruktion aufbauen. Geht es schief, weil es fast immer schief geht, so sind es die drei üblen Flüche, mit denen sie meinen, belegt worden zu sein, weil Schwarze Magie für ihr Glück eingesetzt wurde.
Das ist unglaublich lächerlich. Aber ich lasse sie in dem Glauben, da ich als Hexe es sonst wäre, dem sie die Schuld für ihre eigene Dummheit geben würden.
Hexen kennen Ursache und Wirkung von vielen Dingen, bei denen die Menschen nicht mehr um diese Dinge wissen oder sie schlicht vergessen haben. Die Menschen mögen das alles ruhig Magie nennen und an Wunder glauben. Ich nenne das eine besondere Lebenserfahrung.
Alte Frauen und auch Männer, die ihre Phantasie und ihre Kreativität, ihre Mitgefühlsfähigkeit und Aufmerksamkeit im Leben stets sorgfältig bewahrt und kultiviert haben, sogar bis in ihr hohes Alter hinein, sie haben stets mehr und andere Lebenserfahrungen als jene Menschen, die nach ihrer Schule und ihrer Berufsausbildung kein Interesse mehr an den unbekannten, aber wichtigen Dingen im Leben zeigen.
So viele Menschen geben sich einem Leben hin, das sich durch den ständig wiederkehrenden Alltag definiert und schenken selbst diesem, kaum mehr wirkliche Beachtung. Doch damit hatte ich am Anfang schon begonnen…
Ihr müsst verzeihen, ich bin eben schon ein wenig vergesslich, besonders, wenn ich etwas Hunger habe. Viele von euch werden jetzt wohl an die vielen Märchen denken, die sie in ihrer Jugend gehört oder gelesen haben. Doch ich muss euch hier enttäuschen. Draussen vor der Hütte, dort habe ich keinen Holzverschlag, in dem ich kleine Kinder mäste, um sie am Abend über dem Feuer, für das Abendessen zu garen.
Erfahrung, Wissen mit einer gehörigen Portion Weitblick und dem Mut, zum ersten Schritt, das alles sind die Magie, die jeder Mensch einsetzen kann, um unser aller Welt entscheidend mit zu formen. Doch mit was begnügen sich die Menschen des Westens heute? Sie träumen von ihrem Haus, ihrem Auto, einem zweiten Auto, einer kleinen Familie, einem Ferienhaus, oftmals von einem hübschen Boot und einer gewissen Portion Luxus. Mag das vielleicht der Grund sein, warum unsere Welt immer rücksichtsloser und kaltschnäuziger wird?
Träumen wir einfach nur falsch, womöglich immer nur das Gleiche, berechnend egoistisch, oder haben wie für eine schönere und liebevollere Welt in unseren Träumen einfach keinen Platz mehr? Wenn dem so ist, dann würde es mir das Herz brechen.
Hexen träumen von einer wundervollen Welt.
Ohne diese Träume würden sie eingehen und vertrocknen.
Früher waren es die Kirchen, die zuerst unsere Träume stahlen. Später dann, mit Akribie und Finesse, wollten sie unsere Leben nehmen. Heute sind es zudem die Medien und die lauten Brüller einer Gesellschaft, die Marketing-Abteilungen großer Konzerne und viele Politiker, die erkannt haben, dass man über die Träume, die Menschen recht gut manipulieren kann.
Ja, es bricht mir mein altes Herz, dass so unglaublich viele Menschen sich ihre Fähigkeit, bedeutsam und sinnvolle träumen zu können, haben stehlen lassen. Diese gnadenlose Vergewaltigung Unschuldiger muss endlich ein Ende haben, bevor erneut das Chaos ausbricht.
Junge Menschen werden dann irgendwann, als traumlose Zombies durch unsere Strassen schaukeln, herum gröhlen und keinen Sinn mehr in einem Leben ohne für sie ersichtlicher Zukunft sehen. Sie werden schleichend zu einer neuen, verachtungswürdigen Form der Sklaverei in der Gesellschaft heran gezogen, ohne das sie in der Lage sein werden, es für sich selbst bemerken zu können.
Träume spielen eine ganz entscheidende Rolle dabei, die glücksspendende und lebensnotwendige Freiheit zu empfinden. Nimmt man den Menschen ihre Träume, manipuliert diese oder schränkt diese geschickt ein, nimmt man ihnen damit einen bedeutsamen Teil ihrer Freiheit.
Holt man einen kräftigen und gesunden Mann herbei, schliesst ihn ganz alleine in eine dunkle Zelle und raubt ihm alle seine Träume, dann wird er sich wohl schon bald selbst aufgeben und danach, da wird wohl er nicht mehr lange leben.
Wir steuern auf eine Welt ohne Kinder zu. Kinder sind Menschen, die ihre Träume und Phantasien leben. Die Welt ohne Kinder, sie ist eine Welt, in der kein Platz mehr für eine Zukunft für uns Menschen sein wird. Das ist ganz ähnlich, wie in dieser kleinen Geschichte, von der ich vor einigen Jahren gelesen habe. Doch lest selbst, was sogar eine alte Hexe im Herzen bewegt – eine Welt ohne Kinder:
Als mein Handy klingelte, da wusste ich noch nicht, dass dieser Anruf anders und viel bedeutungsvoller sein würde, als alle Anrufe zuvor, in meinem Leben.
Es war mein Chef an der Leitung. Er schickte mich zur Berichterstattung bei einem möglichen Selbstmord. Ein Kind wollte sich offenbar umbringen, sich von dem Balkon der elterlichen Wohnung hinunter stürzen. Da ich Reporter einer kleinen Zeitung war, Geschichten mit Kindern immer gut an kamen, nutzte ich diese Chance natürlich sofort und trat unverzüglich auf das Gaspedal meines schwarzen Porsche.
Als ich bei dem Hochhaus eintraf, waren Feuerwehr und Polizei bereits schon vor Ort und breiteten in aller Eile ein riesiges Sprungkissen aus.
Auf einem kleinen Balkon, im achten Stockwerk des Hauses, dort stand ein kleiner Junge. Er war so weit oben nicht leicht auszumachen, stand unsicher und verkrampft auf dem schmalen Metallgeländer, an dem einige alte Balkonkästen mit blühenden Geranien hingen. Er war offensichtlich kurz davor, in die Tiefe zu springen. Hinter ihm stand die junge Mutter und weinte verzweifelt. Sie schien einfach nur hilflos und schrie immer wieder hysterisch auf die Feuerwehrleute ein. Der Junge winkte ihr dann plötzlich zu und sprang, ohne auch nur das geringste Zögern, in die Tiefe. Die vielen Schaulustigen schrien entsetzt auf. Eine Kulisse, die mich an ein Fußballstadion erinnerte, wenn auch erheblich unerfreulicher und einfach nur schrecklich. Der kleine Körper schlug nur wenige Augenblicke später auf dem noch ungefüllten Sprungkissen auf. Der arme Junge war sofort tot.
Ich versuchte natürlich gleich zu erfahren, was es wohl war, was den kleinen Kerl zu einer solchen Tat bewegt haben mochte, stellte aber schon bald enttäuscht fest, dass niemand, seine Eltern, seine Freunde und Bekannten auch nur kleinste Vermutung hatten, warum er sich selbst das Leben so plötzlich und grausam ausgelöscht hatte.
Er war wohl immer ein guter Schüler gewesen, der viele Freunde besass und auch stets ein recht zufriedenes Leben geführt hatte.
Das war für eine gute Geschichte nicht gerade viel, und so verließ ich etwas unzufrieden den Tatort. Mit der Zeit härtete man in diesem Beruf schon ein wenig ab. Aber dennoch waren solche Todesfälle mit Kindern immer besonders tragisch und gingen mir trotz Erfahrung, noch sehr an die Nerven.
Kaum sass ich jedoch wieder hinter dem Steuer, schickte mich mein Boß zu einem neuen Selbstmordfall. Ich schüttelte verblüfft mit dem Kopf. Was war heute nur los in unserer kleinen Stadt?
Zwei Kinder hatten sich von einer Autobahnbrücke auf die Schnellstraße geworfen und waren von etlichen Fahrzeugen rücksichtslos überrollt worden. Niemand hatte angehalten, sich um die Kinder gekümmert. Erst die eintreffende Polizei konnte diesem grausamen Geschehen ein Ende setzen.
Doch bevor ich schließlich dort eintraf, kam es dann ganz anders, als ich es mir vorher ausgemalt hatte.
Schon während meiner Fahrt zum besagten Tatort hörte ich den Polizeifunk ab. Das macht man als erfahrener Reporter bei uns so. Aber ich stellte sogleich verwundert fest, dass es an diesem Tag dort ungewohnt hektisch zuging.
Überall in der Stadt versuchten sich offenbar kleinere Kinder um zu bringen. Einfach so und ohne ersichtlichen Grund, sprangen sie von Häusern herunter, erhängten sich an Türrahmen und kleinen Bäumen, oder sie schnitten sich ganz ohne Furcht ihre Pulsadern auf.
Mir wurde ganz heiss, als ich über diese ganzen Vorfälle im Funk hörte. Vollkommen durcheinander war ich, ratlos und öffnete deshalb nervös das Autofenster, um etwas frische Luft zu bekommen. Ich hatte den Eindruck, sonst ersticken zu müssen.
Doch kaum war die Scheibe herunter gekurbelt, nahm ich einen völlig ungewohnten Lärm wahr. Überall waren die lauten Hilferufe der Menschen und das laute Gekreische zahlloser Polizeisirenen zu hören.
Dann sah ich plötzlich ein kleines Mädchen, das rasch auf die Strasse zu rannte, eben auf die Strasse, auf der ich gerade fuhr.
Sofort trat ich hart auf die Bremse, als wollte ich das Bremspedal ganz auf die Straße durch drücken, hörte dann nur noch das laute Quietschen meiner Reifen.
Aber das kleine Mädchen warf sich regelrecht vor mein Auto, so dass ich nicht auch nur die kleinste Chance hatte, ihr irgend einer Weise ausweichen zu können.
Unglaublich!
Kurz bevor der Wagen stand, es stank inzwischen stark nach den heissen Bremsbelägen, ging ein kleiner Ruck durch den Wagen.
Ich hatte sie tatsächlich erwischt.
Oh, Gott!
In wilder Panik riss ich die Fahrertür auf und sah dort zuerst nur wenige Locken, dann das ganze Kind, dessen kleiner Körper bewusstlos und leicht eingekrümmt vor meinen Vorderrädern lag.
Dann schaute ich mich hektisch um. Aber die vielen Menschen auf der Straße waren überall in Panik und schrien alle wild durcheinander, da überall Kinder auf dem Boden herum lagen und versuchten, sich selbst zu töten, oder weil sie bereits schon im Sterben lagen. Daraufhin versuchte ich mit zitternden Händen über mein Mobiltelefon Hilfe zu rufen, stellte aber sogleich fest, dass die Notrufleitung hoffnungslos überlastet war.
Ohne weiter zu zögern, griff ich mir schliesslich das Kind und legte es kurzerhand auf meinen Beifahrersitz. Innerlich war ich fest entschlossen, es persönlich in das nächstgelegene Krankenhaus zu fahren.
Der Polizeifunk war noch immer eingeschaltet, in dem sich die Beamten inzwischen schon völlig hysterisch anschrien. Dieser ganze Lärm, diese ganze Situation und der Stress mit dem Unfall, sie brachten mich fast an den Rand des Wahnsinns. Doch in diesem ganzen Durcheinander kam ich seltsamer weise nicht auf die Idee, den nervenden Funk einfach abzustellen.
Was war nur geschehen, und was war mit den vielen Kindern los? Sollten die Kleinen nicht einfach nur auf den Spielplätzen spielen oder sich bei diesem Wetter über ein Eis freuen?
Schweißperlen rannen von meiner Stirn und liefen mir brennend in meine Augen.
Ich hatte Angst.
Dann fuhr ich ziemlich rasant an, kam aber in Folge leider nur unerträglich langsam voran, da die Strassen völlig blockiert waren.
Immer wieder sah ich zu der Kleinen auf dem Rücksitz, die vor Schmerzen begonnen hatte, leise zu wimmern. Ich hasste mich für diesen Unfall.
Mit zitternden Händen drehte ich hektisch an dem Radio herum, um ein wenig mehr Informationen über diesen Alptraum zu erhalten.
War es ein neuer Terroranschlag?
Vielleicht war es eine Art Seuche?
Es lief offenbar bereits eine eiligst zusammengestellte Sondersendung, dessen Moderator mir einen überaus verzweifelten Eindruck vermittelte. Er berichtete, dass sich wohl nicht nur in unserer Stadt sämtliche Kinder selbst zu töten versuchten, sondern sich die Meldungen über dieses schreckliche Phänomen aus der ganzen Welt, förmlich bei ihm überschlugen. Weltweit lagen in den Straßen unzählige tote Kinder, und die Meldungen über sie nahmen einfach kein Ende. Dieses Phänomen war den befragten Wissenschaftlern ein Rätsel, und es traf sie offenbar völlig unvorbereitet.
Sie hatten in der kurzen Zeit nur festgestellt, dass die Selbsttötungen durch einen unwiderstehlichen Zwang in den Kindern verursacht wurden, den sich die Wissenschaftler in seinem kollektiven Auftreten jedoch nicht erklären konnten. Man sprach von der Möglichkeit, die Kinder mit einem Gas, einfach einschlafen zu lassen, damit sie sich nicht mehr selbst töten konnten. Eine wohl wahnwitzige und sinnlose Idee, die aus der Hilflosigkeit heraus erwachsen war.
Danach gab der Moderator die ersten geschätzten Zahlen über die Suizide in Deutschland durch, brach seine Meldung jedoch kurz darauf ab, da er von der Kraft dieser Zahlen nahezu erschlagen wurde und ihm immer wieder die Stimme beim Vorlesen versagte.
Er begann zu weinen.
Ich schaltete das Radio aus.
Mein Mund war völlig ausgetrocknet, und ich schrie eine alte Frau an, die mitten auf der Strasse kniete, um zu beten. Sie versperrte mir dabei den Weg, liess sich nicht stören.
Immerhin hatte ich doch ein verletztes Kind auf dem Sitz.
Wo war er denn nun, ihr toller Gott, den sie so sehr herbei flehte?
Hektisch kurvte ich meinen Wagen durch die vielen Menschengruppen, die überall auf der Strasse herum liefen.
Kurz vor dem Krankenhaus ging dann schließlich nichts mehr.
Es war ein vollkommener Stau.
Die Kleine auf der Rückbank hatte inzwischen wieder ihr Bewusstsein verloren.
Ich wurde nervös. Sie durfte jetzt nicht sterben. So legte ich sie mir kurz entschlossen einfach über meine Schulter, um nun eben zu Fuss das Krankenhaus zu erreichen.
Die Zeit drängte sehr.
Ich konnte fast schon spüren, wie das Leben ganz langsam aus dem Körper auf meiner Schulter wich. Doch das Durchkommen bei diesem Stau, es war weitaus mehr, als nur einfach schwer und kompliziert, da überall Frauen hysterisch herum schrien, oder auch weinend zusammen brachen. Sie hatten kurz zuvor ihre Kinder verloren.
Schliesslich verlor ich meinen allerletzten Funken an Geduld und stieg einfach mutig und rücksichtslos über die hoffnungslos in sich verkeilten Autos hinweg und zerkratzte bei dieser Aktion wohl dutzende von den zumeist fein gepflegten Edelkarossen. Aber die Lacke dieser Autos, sie waren mir in dieser Situation egal. Diese konnte man leicht ersetzen, dass Leben der Kinder jedoch, das war wohl wichtiger, als diese blinkenden, bunten Fahrzeuge.
Das Krankenhaus zeigte sich hoffnungslos überfüllt, als ich schliesslich dort eintraf.
Ich hatte das erwartet.
Auf den Gängen drängten sich die entsetzten Menschen, um die vielen verletzten Kinder zu retten, die fast immer seltsam apathisch blickend auf dem Boden lagen, an den Wänden gelehnt lagerten oder auf Tragen kauerten.
Mir war inzwischen ganz übel vor Angst geworden, und meine Zunge lag mir schwer im Hals.
An jeder Tür standen mindestens zwei bewaffnete Soldaten, um die völlig überlasteten Ärzte und ihre helfenden Krankenschwestern zu schützen. Es hatte ganz offensichtlich einige Zwischenfälle gegeben. Soldaten sah man sonst nie.
Das Grauenhafteste in diesem Krankenhaus jedoch, das war der grausige Umstand, dass sich gerade jene Kinder, denen die Ärzte gerade erst ihr Leben gerettet hatten, sich gleich darauf erneut töten wollten, immer wieder und wieder. Dieses hatte oft die bittere Konsequenz, dass die armen Geschöpfe, unmittelbar nach ihrer lebensrettenden Verarztung, an die wenigen freien Betten oder die recht schäbigen Matratzen, einfach festgebunden wurden. Man hoffte offenbar, dass irgendwann dieser Alptraum enden würde und hatte keine andere Wahl.
Endlich hatte ich es geschafft und einen freien Arzt erreicht.
Ich legte das kleine Mädchen auf den Untersuchungstisch und beobachtete gespannt den jungen Mediziner, dessen weisser Kittel vollkommen mit Blut verschmiert war. Das war wie im Krieg. Doch er blickte schliesslich nach unten und schüttelte nur mit dem Kopf. Erschreckend kühl und mit einer deutlichen Verbitterung in seiner Stimme meinte er, dass das Mädchen bereits gestorben war.
Ich stand da, als wäre ich gelähmt.
Mir hatte es die Sprache verschlagen.
Gerade noch hatte sie gelebt. Das hatte ich deutlich gespürt.
Ein junger Soldat griff sich das tote Kind, zog einen Vorhang beiseite, hinter dem bereits schon weitere tote Kinder aufgereiht lagen und legte das kleine Mädchen einfach dazu.
Dieser entsetzliche Anblick war zu viel für mich.
Ich begann heftig zu würgen, rannte zum Fenster, riss es auf und entleerte meinen Mageninhalt auf die vielen Köpfe der wartenden Eltern und Helfer, welche weit unten standen und verzweifelt Einlass in das Krankenhaus suchten.
Als ich mich umdrehte, meine Knie zitterten heftig, lag bereits ein neues Kind auf dem Untersuchungstisch, das sich offenbar die Pulsadern aufzuschneiden versucht hatte und daher stark blutete.
Dann rannte ich los, ohne mich auch nur ein einziges Mal um zu sehen, oder auf andere Menschen zu achten. Ich wollte einfach nur hinaus, vorbei an den vielen Eltern, den vielen toten Kindern, dem quälenden Geschrei und dem vielen Weinen.
Nur noch laufen wollte ich, so schnell ich es konnte, immer weiter durch die, mir heute endlos erscheinenden Strassen, auf denen dieses sinnlose Gemetzel einfach kein Ende nehmen wollte. Einfach nur weglaufen, so war mein Gedanke, das war der Impuls, dem ich blind folgte. Dem Grauen entfliehend, so spürte ich meine Beine bald nur noch stampfend, einer alten Maschine gleich, unter mir vibrieren.
Ich wollte rennen, immer nur rennen, ohne anzuhalten.
Doch wohin ich auch lief, dort sah ich sie, die armen, kleinen Engel, wie sie auf dem harten Asphalt lagen, oder leblos zwischen den Gebüschen hingen.
Schliesslich brach ich zusammen, legte mein heisses Gesicht in die Hände und heulte einfach nur meine ganze Verzweiflung hinaus.
Ich gab mich der Hilflosigkeit geschlagen.
Oder flossen meine Tränen nur, um dem, mir ernsthaft drohenden Wahnsinn, noch zu entkommen?
Ich lag sehr lange dort, einfach mitten auf der Strasse, ohne den inneren Mut aufbringen zu können, aufzustehen und mich dieser schrecklichen Welt erneut zu zu wenden.
Erst als es nach einer Weile dunkel geworden war und die vielen Schreie allmählich verstummten, sich eine hässliche Stille des Todes, wie ein bleierner Umhang über die inzwischen tränennass gewordene Welt legte, erhob ich mich stöhnend und trottete, als wäre ich in Trance, in die Redaktion meiner Zeitung, die für mich bisher immer wie ein zweites Zuhause war.
Ich war völlig leer und fühlte überhaupt nichts mehr. Mir schien es, als sei ein wesentlicher Teil von mir selbst, zusammen mit diesen vielen, armen Kindern, gestorben.
Schweigend las ich die Meldungen und sah einige Berichte.
Überall trugen die Menschen, inzwischen besiegt schweigend und mit tiefer Verzweiflung in ihren Augen, die vielen toten Kinder zusammen. Es herrschte offenbar ein weltweiter Ausnahmezustand, und das Militär war überall erheblich präsent. Aber dennoch waren sie völlig machtlos. Alle waren machtlos.
Sämtliche Kriege auf der ganzen Welt, sie wurden einfach abgebrochen, einfach so, als seien sie lediglich nur ein übles Theaterstück gewesen. Die Menschen auf der Erde, sie schienen fassungslos.
In der Redaktion arbeitete keiner meiner Kollegen mehr wirklich. Einige hatten sich sogar betrunken, andere weinten leise vor sich hin. Aber die meisten von ihnen, sie sassen vor dem Fernseher, nur um immer wieder und wieder die selben Nachrichten zu sehen.
Es waren offenbar ausnahmslos alle Kinder auf dieser Welt, diesem vernichtenden und teuflischen Phänomen zum Opfer gefallen. Noch schlimmer war es sogar, dass alle Säuglinge, deren Geburt erwartet worden war, sich ganz einfach weigerten zu atmen. Daraufhin starben sie, nach wenigen Augenblicken des Lebens, den hilflosen Hebammen, einfach in deren Händen.
Ab dieser schrecklichen Zeit kam es nicht mehr dazu, dass die Welt sich den sinnfreien Kriegen und den vielen albernen Streitereien hingab. Diese Dinge wurden einfach aufgegeben. Die Menschheit war geschockt, verzweifelt und völlig kopflos.
Bald darauf kam es zu einer zweiten, nahezu ebenso traurigen Welle sinnloser Selbstmorde:Viele Menschen lehnten es ganz einfach für sich ab, ohne ihre geliebten Kinder weiter zu leben. Die Welt der Menschen, sie wurde im Angesicht der Verzweiflung und der allgegenwärtigen Trauer, allmählich immer trostloser und lag nun selbst im Sterben.
Weltweit arbeiteten die Wissenschaftler fieberhaft an der Rettung ihrer eigene Rasse, der menschlichen Rasse.
Es war zum Verzweifeln.
Doch fanden sie aber nur heraus, dass diese vielen kindlichen Selbstmorde irgendwie genetisch bedingt gewesen sein mussten. So war durch irgendeinen auslösenden Faktor oder Umstand einfach ein unbekannter genetischer Schalter umgestellt worden. Dieser hatte wohl auf eine nicht einwandfrei geklärte Art und Weise, zu diesen selbstzerstörerischen Reaktionen geführt.
Von einigen Parasiten aus der Tierwelt, da wusste man von ähnlichen Möglichkeiten. Jedoch eine Lösung für das eigentliche Problem, die fanden sie nicht, da sie kaum noch ausreichend Zeit für ihre intensive Forschungen hatten, und ihnen alle finanziellen Mittel offenbar einfach weg brachen.
Auch ich hatte inzwischen aufgehört, richtig zu leben und existierte viel mehr nur noch energielos so vor mich hin, wohl auch, um euch diese Zeilen auf zu schreiben. Ich war der festen Meinung, dass jede Geschichte ein anständiges Ende verdient hatte, so also auch die wahrhaft verrückte und traurige Geschichte der Menschheit.
Aber dennoch war es schön zu wissen, dass die Menschen nun schliesslich doch angefangen hatten, über den eigentlichen Sinn ihres Lebens nachzudenken, wenn auch viel zu spät und mit zu einem hohen Preis, der gezahlt wurde.
Doch ich wollte nicht weiter spekulieren und brach meinen Bericht einfach ab, da meine alten Knochen und Glieder bereits sehr schwer geworden waren. Reichlich Schierlingsgift hatte ich genommen, das sich nun seinen Weg durch meine Adern bahnte und allmählich begann, meine Sinne zu benebeln.
Ich hatte es auf einem der neuen Märkte gekauft, die für Menschen waren, die kein Geld mehr verdienten und denen alles egal war. Hier wurde nur getauscht, und man bekam eben auch solche Dinge, wie diese Gifte, um sich möglichst ganz unkompliziert aus dem Leben stehlen zu können. Es war ein Leben, das ohne Kinder und ohne einen Rest an Zukunft keinen Sinn mehr zu haben schien.
Aber dennoch war ich jetzt irgendwie glücklich.
Bald würde ich wohl wieder bei den vielen Kindern sein.
Ihr kindliches Lachen, das vermisste ich inzwischen so sehr, und ihren frischen, aufgeweckten Augenglanz, ihn wollte ich wieder sehen können. Nicht mehr lange wollte ich noch darauf warten müssen, nicht ein ganzes Leben lang. Ein Leben in einer grauen und alten Welt, das kam den Erzählungen über die Hölle gleich.
Meinen letzten Gedanken jedoch, den schenkte ich dem armen, kleinen Mädchen, das damals in meinen Armen starb…
Eine traurige Geschichte ist das.
Ganz gewiss ist sie traurig, und viele Menschen würden sofort wieder einmal die Hexen für so eine schreckliche Entwicklung in die Verantwortung ziehen.
Das kann nur das ultimative Böse gewesen sein, die Abgründe der Schwarze Magie und das vermeintlich Okkulte, das für dieses Leid zu zeichnen hat.
Doch glücklicherweise ist es nur eine kleine Geschichte, eine Geschichte, die ich immer wieder gerne erzähle, wenn es bei mir in meiner Hütte um Kinderdinge geht.
Kinder sind heute noch glücklicherweise vielerorts eine Selbstverständlichkeit.
Noch sind sie das!
Doch was wird geschehen, wenn Kinder nicht mehr selbstverständlich sind?
In einigen Teilen der Welt scheint alles sich genau in diese Richtung zu bewegen, eben in jene Richtung, das Kinder eher als störend für das eigene Leben empfunden werden.
Es bedarf keiner Schwarzen Magie und keiner bösen Wesen, um diese Geschichte auf ihre Weise wahr werden zu lassen. Oftmals genügen schon einige wenige egozentrische Politiker, eine gesellschaftliche Fehlerziehung oder einfach nur ein Fehler bei wissenschaftlichen Arbeiten an Biowaffen oder anderen gefährlichen Projekten, um die solche Geschichte, wie die der lebensmüden Kinder, wahr werden zu lassen.
Zu oft ist es in der Vergangenheit bereits geschehen, dass man jene Menschen die man nicht versteht, eben den Idioten (lat. ydiotis = Eigenbrötler, Geheimnisvoller, beispielsweise leitet man auch »Idee« von »Idiot« ab) der Gesellschaft, zum Sündenbock ernennt.
Hexen sind daher wohl tatsächlich ganz besondere Idioten, da sie eine durch und durch idiotische Lebensweise führen.
Doch keinem der lauten Lacher und gemeinen Lästerer käme in den Sinn, dass sie über etwas lachen und scherzen, von dem sie meinen, es verstanden zu haben, obwohl sie eigentlich überhaupt nichts begriffen haben.
Schon bei diesen kleinen Dingen des Lebens und auch schon bei der einfachen Kommunikation, da trennen sich die Welten zwischen jenen Menschen, die spirituell schlafen und denen, die spirituell aktiv und sehr aufmerksam sind. Aber dann, noch ein weiteres Mal, da trennen sich die Welten, eben in die Welt und das Weltbild der spirituell erwachten und aktiven Menschen und in die Welt der Hexen. Ja, Hexen, so wie ich eine bin.
Es ist nur zu natürlich, dass man nicht verstanden wird. Aber es nicht natürlich und daher sehr fraglich, wie die Menschen mit etwas umgehen, was sie nicht verstanden haben und offenbar nicht verstehen können.
Hier zeigen sich die wirklich grossen Schwächen der Menschen.
Sie können einfach nicht trennen und betrachten alles, was sie nicht sofort verstehen, als die eine grosse und völlig homogene Gruppe aller Dinge, die sie nicht verstehen. Offenbar geht es dabei um so ein albernes Ego-Ding und die »grandiose« menschliche Selbstverliebtheit.
Einer Hexe fällt es wiederum schwer, eben genau das nachzuvollziehen.
Was ist die Hexe wohl schon mehr, als nur ein freier Geist, der zwischen jenen Dingen besteht und wacht, vor denen sich gerade auch diese Menschen fürchten und jenen Dingen, die allgemein bekannt sind und deren exoterischer und aufgeklärter Natur man leichtgläubig folgt?
Nur ein Tor überträgt die Symbolik der Alten so auf die Realität, das er sie als unmittelbar existent ansieht.
Die alte Frau auf dem Besen mit einer schwarzen Katze oder einem schwarzen Raben, die überzeugt den alten Pfaden folgt: Diese alten Pfade stecken voller Magie und bösen Absichten, offensichtlich genutzt von Wesen, die mit dem Teufel eng im Bunde stehen müssen. So ähnlich beschreiben die vielen Schläfer unter den Menschen uns, die Hexen.
Es ist schon richtig, ich bin eine alte Frau, und ich habe einen Besen, aber den verwende ich zum Kehren meiner alten, staubigen Hütte.
Doch es gibt auch junge Frauen, die klug, mit offenen Augen und offenem Verstand durch die Welt gehen und auf die daher das Attribut der Weisheit zutreffen würde.
Weisheit bringt man heute nun einmal mit der Lebenserfahrung eines Menschen in Verbindung, und gilt ein Mensch als weise, so geht man eben oft sogleich davon aus, dass er daher auch schon alt sein muss.
Bewegt sich dieser Mensch nun zwischen den Welten der Erkenntnis und den Welten des Bekannten, so wandelt er auf einer Art Abgrenzung und Trennlinie, die man auch als einen Zaun verstehen kann.
Die Hexe bewegt sich in einem Bereich des spirituell Unbekannten und einem Bereich des Offensichtlichen. Es ist ein nicht zu greifendes, geistiges Fliegen auf einer der Latten des erwähnten Grenzzaunes, vielleicht auf dem Zaun selbst, den man auch als Besen erkennen und auch symbolisieren kann. Man kann ihn jedoch auch als ein spirituelle Rückgrat des Menschen verstehen und als eine Verbindung zwischen dem Weltlichen auf dem Boden und den Sphären in der Höhe, zwischen denen er vermittelt.
Schon immer wurde die Erkenntnis und die Weisheit als das hell und schön Leuchtende symbolisiert, während alles geistig nicht unmittelbar zu Erreichende, das geheimnisvolle Unbekannte und das vermeintlich Undenkbare, als die mit dem Auge undurchdringbare Schwarze gedacht und gezeichnet wurde.
Bringt man nun eben ein Tier mit eben genau dieser Farbe in Verbindung, ein Tier, das ohnehin für seine Position und Lebensweise zwischen den Welten bekannt ist, so kommt man rasch auf den schwarzen Raben und die schwarze Katze als jenes perfekte Haustier einer Hexe.
Alte Symbole sind oftmals verwirrend, ungenau und verleiten die Menschen dazu, nicht mehr selbst zu denken.
Hexen können in weiblicher und männlicher Gestalt jeden menschlichen Alters auftreten, sind aber auch stets geistige Wesen zwischen den Welten. Die Kraft ihrer Magie schöpfen die Hexen aus dem Unbekannten, jenen weiten Gefilden, die anderen Menschen zwar verborgen, aber nicht für immer und gänzlich verschlossen sind.
Es ist nur zu lächerlich jede Frau mit einer Vorliebe für lebendige Natur und für aromatische Kräuter oder jeden Mensch mit esoterischen Vorlieben auch immer, als eine Hexe zu betrachten und sie zu diskriminieren.
Hexen sind keine künstlich geschaffenen Kreaturen, sind keine Menschen mit Meistergrad in Hexerei und Zaubertränken, auch wenn man immer wieder so einen Blödsinn lesen oder auch im Fernsehen bewundern kann.
Eine Hexe kann man nicht sehen, man kann sie nur fühlen.
Sie steckt tief im Menschen.
Den Einfluss und das Wirken einer Hexe auf ihre Umwelt, ihn kann man sicherlich erkennen, aber nicht die Hexe selbst. Das schliesst natürlich auch die zwischenweltlichen Bereiche ein. Hexen gelten unsterblich und können immer wieder in das Leben zurück kehren, das sie einmal geführt haben, wenn auch mit einem anderen Gesicht, als reiner Gedanke, Emotion oder vielleicht auch nur, als ein schwacher Laut des Windes im Blattfall.
Erfahrene Hexen können tatsächlich mehrfach gleichzeitig sein und wirken, wenn sie eine gewisse Einigkeit mit ihrer Mutter Natur und ihrer Umwelt erreicht haben.
Es gibt Menschen, die tatsächlich erkannt haben, dass eine Hexe sich in einem einzigen Gedanken verstecken kann, wenn sie es denn so möchte. Sie kann aber auch der Drang nach Wissen und der Weg selbst sein, die Welt um sich herum geistig und körperlich zu erfahren.
Wie eine Mutter ihrem Kind einen Teil von sich selbst gibt, so gibt auch eine Hexe den Menschen einen Teil von sich selbst mit, wenn sie ihm eines der Tore zu seinem Leben zeigt.
Sie wird jedoch niemals mit ihm zusammen durch dieses Tor gehen, so wie auch kein Kind zusammen mit der Mutter aus der mütterlichen Vulva gepresst werden kann.
Die Erfahrung der verschiedenen Geburten des Lebens, sie muss jeder Mensch selbst erleben, ebenso, wie er jede Erkenntnis von Wahrheit selbst erfahren muss. Es gibt keinen anderen Weg vom Glauben, hinein in das Wissen.
Die Mutter beschreitet den Pfad der mütterlichen Erfahrung und der daraus entstehenden Erkenntnis. Das Kind jedoch, es beschreitet stets den Pfad der kindlichen Erfahrung und der daraus entstehenden Erkenntnis.
Doch jetzt, jetzt habe ich richtig Hunger. Ich glaube, ich habe da noch ein wenig von der guten Gemüsesuppe von gestern auf dem Herd stehen. Das Gemüse im Graumantel eines Jahres, es ist zwar nicht so gut, wie das zarte Gemüse des Lebendwerd, aber es ist für alte Weibsbilder, so wie ich es bin, viel bekömmlicher.
Den Rest werde ich mir aufwärmen, und zusammen mit einem Stückchen Brot aus eigenem Ofen, da wird er eine wahre Wonne sein.
Ich liebe aufgewärmtes Essen. Oftmals sind aufgewärmte Essen viel aromatischer und schmackhafter, als frisch zubereitete Essen.
Das ist im Leben oft doch auch so, dass es bei vielen Dingen, die man plant, einen zweiten und dritten Anlauf braucht, damit es überhaupt wirklich gut gelingen kann.
Es ist immer die Erfahrung, aus der wir lernen und sie ist es ebenso, die offenbar auch zu einem guten Essen führt.
Menschen sind nicht unsterblich. Das liegt aber nur daran, wie sich die Menschen selbst definieren. Sie sind dabei stets so sehr mit dem gedanklichen Konstrukt ihrer Vergänglichkeit verbunden, dass alles um sie herum, auf eine menschliche Sterblichkeit in ihrem tödlichen Zentrum zu zeigen scheint. Daher ist der Mensch, so wie er sich selbst eben sieht, nun einmal sterblich und der daraus entstehende Einfluss auf seine Umwelt, der lässt dieses Bewusstsein zusätzlich real werden.
Es ist wohl wieder einmal die Zeit gekommen, in der ich meiner gedanklichen Veränderung gerecht werde und mein Wesen nicht mehr mit meinem Namen in Partnerschaft leben kann. Das ist nun einmal so, und das ist gut.
Wie kann ich denn nur bei dem Gedanken an diese traurige Geschichte und der Überzeugung meiner Art, den Namen »Birke Rindensaft« weiter tragen?
Es ist nun wirklich wieder einmal die Zeit gekommen, in der ich der Idiotie meines Lebens gerecht werden möchte und eigentlich »Ydiotis Kinderträne« heissen müsste.
Ja, so soll es sein.
Ich werde ab sofort und als Symbol meines stillen Protestes, den Namen Ydiotis Kinderträne tragen.
So soll es sein…
Autor: © Alexander Rossa 2024